Stefan Kalt wirkt zufrieden. Der Direktor der Regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen (RVBW) steht entspannt auf dem Betriebshof und plaudert mit seinen Gästen. Hinter ihm wird gerade ein eCitaro Elektrobus geladen. Es herrschen frostige Temperaturen, aber passend zum feierlichen Anlass scheint an diesem Dezembertag die Sonne über Wettingen.
„Ein System, in dem richtig viel Know-how steckt“.
Schlüsselfertiges eMobilitäts-Gesamtsystem für die Schweizer RVBW.
Der vollelektrische Stadtbus von Mercedes-Benz auf dem Betriebshof der RVBW ist Teil eines Megaprojekts, das Daimler Buses mithilfe kompetenter Partner seit März 2022 für das Schweizer Verkehrsunternehmen intensiv vorbereitet, entwickelt und umgesetzt hat. Das Besondere: Daimler Buses liefert nicht nur zehn eCitaro Solo, sondern war als Generalunternehmer auch für das komplette eMobilitäts-Gesamtsystem einschließlich Ladeinfrastruktur, Lademanagement und Umbaumaßnahmen verantwortlich.
Heute findet bei der RVBW die Gesamtabnahme statt – zu der alle Projektbeteiligten gekommen sind. „Es ist schon beeindruckend, wie alle für den gemeinsamen Erfolg gearbeitet haben“, betont Stefan Kalt und spricht gleichzeitig von einem „extrem wichtigen Vorhaben für die RVBW“.
„Für den Umstieg auf die Elektromobilität in der Schweiz ist das Projekt RVBW ein echter Meilenstein.“
Einer hatte den Hut auf: Daimler Buses.
„Für den Umstieg auf die Elektromobilität in der Schweiz ist das Projekt RVBW tatsächlich ein echter Meilenstein“, findet auch Marcel Wolf. Bei dem Tender Manager von Daimler Buses Schweiz liefen alle Fäden zusammen. Als Projektleiter hat Wolf die Zusammenarbeit zwischen Ladegeräte-Hersteller und Lademanagement-Anbieter beim RVBW-Vorhaben koordiniert. Oder wie Marcel Wolf es ausdrückt: „Einer hatte den Hut auf.“
Koordination ist eines der Worte, die man an diesem Tag noch oft hört. Aber wie sah das in der Praxis aus? Für die RVBW fungierte Wolf als zentraler Ansprechpartner für alle Bereiche dieses eMobilitäts-Gesamtsystems. Der Vorteil: Bei Fragen musste das Verkehrsunternehmen nicht einzeln auf die verschiedenen Dienstleister zugehen, ein Anruf genügte.
Daimler Buses koordiniert die Arbeit der Experten.
Und Fragen gab es während des Projektverlaufs reichlich, wie Werner Fischer, Leiter Technik bei der RVBW, bestätigt. Denn für die Regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen mussten eine ganze Reihe spezifischer Herausforderungen gelöst werden.
Fischer erzählt lachend, dass sie im Laufe der intensiven Zusammenarbeit mit Daimler Buses gelernt haben, was das Kürzel KSW bedeutet: Kunden-Sonder-Wunsch. „Mich hat beeindruckt, wie Daimler Buses auf individuelle Anforderungen eingegangen ist und die auftauchenden Herausforderungen professionell gelöst hat“, lobt Fischer, „besonders auch angesichts der zahlreichen Beteiligten bei diesem Projekt.“
Denn nicht immer waren alle Akteure vor Ort, sondern mussten digital zugeschaltet werden. Insgesamt waren am Projekt bis zu 20 Personen beteiligt, deren Zusammenwirken von Daimler Buses koordiniert wurde.
Hochleistungs-Ladeschiene statt Steckerlösung.
Bei der Ladestrategie hat sich die RVBW für die Depotladung entschieden. Die hierfür benötigte Ladeinfrastruktur lieferte der Schweizer Anbieter Furrer+Frey. Das Laden der Elektrobusse erfolgt über eine fahrzeugseitige Hochleistungskontaktschiene, kombiniert mit einem Top-Down-Pantografen. Werner Fischer zeigt nach oben, wo unter dem Dach der Fahrzeughalle die Technik von Furrer+Frey gut zu erkennen ist.
„Das Laden per Pantograf bietet viele Vorteile“, erklärt Mathis Noisternig, der zuständige Projektleiter bei Furrer+Frey. „Die gesamte Elektronik ist in einem Gerät integriert. Das ist platzsparend, alles wirkt sauber und aufgeräumt.“ Der Aufwand für das Starten des Ladevorgangs durch das Fahrpersonal ist bei dieser Technik erheblich geringer. So reicht das Drücken eines Knopfes und das Einführen des klobigen Steckers entfällt.
„Das Laden per Pantograf bietet viele Vorteile.“
Kommunikation über ein gesichertes Netzwerk.
Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Leitstelle läuft komplett über ein gesichertes Netzwerk. Die Fahrzeugdaten werden in einer gesicherten Cloud gespeichert. Hier kommt dann der Software-Anbieter des Last- und Lademanagements ins Spiel. Im Fall der RVBW ist das IVU Traffic Technologies, ein bewährter eMobilitäts-Partner von Daimler Buses.
„Bei der RVBW haben wir zusammen mit Daimler Buses eine absolut neue technische Lösung bei der Vorkonditionierung umgesetzt, die es in der Form auf der Welt bisher nicht gab“, erklärt Matthias Feldmann, Projektingenieur bei IVU Traffic Technologies Schweiz. Eine Ersatzschnittstelle von OMNIplus ON sendet den Vorkonditionierungsbefehl von IVU direkt ins Fahrzeug. Feldmann steht am Fahrerarbeitsplatz des eCitaro und deutet auf das Display, auf dem gerade der aktuelle Ladestatus angezeigt wird.
Die Kommunikation zwischen Bus und Ladeinfrastruktur über WLAN bietet viele Vorteile, ist jedoch andererseits aufgrund einiger Störgrößen auch heikel. Als praktische Lösung wurden daher sogenannte RFID-Tags auf dem Fahrzeug montiert. „Dadurch wird verhindert, dass sich ein Bus auf der linken Fahrbahn nicht mit dem Pantografen auf der rechten Fahrbahn verbindet und so eine gefährliche Situation auslösen kann“, erklärt Wolf.
Intensive Testwochen.
Als schließlich der eCitaro mit vollgeladenen Batterien an Bord mit einem leisen Surren aus der Halle hinaus auf den sonnenüberfluteten Hof fährt, liegt fast etwas Magisches in der Luft. Doch der Weg zum erfolgreichen Projektabschluss war alles andere als Zauberei. Damit im Alltagsbetrieb der RVBW alles reibungslos funktioniert, wurden im Vorfeld ausgiebige Tests durchgeführt und unterschiedlichste Problemszenarien durchgespielt.
„Mit unserem Vorführfahrzeug und einem Fremdkundenfahrzeug ging es im Sommer 2023 in zwei intensive Testwochen“, erzählt Marcel Wolf. Die Tests wurden gemäß dem Datenkommunikationsstandard OppCharge durchgeführt, der die reibungslose Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladegerät gewährleistet. Für die Datenkommunikation zwischen Ladegerät und dem Backend der IVU kommt das standardisierte Anwendungsprotokoll OCPP (Open Charge Point Protocol) zum Einsatz. „Wir haben so lange optimiert, bis alles perfekt passte“, erinnert sich Matthias Feldmann.
„In dem Projekt steckt richtig viel Know-how“, bestätigt RVBW-Direktor Stefan Kalt, während er alle Gäste in den wohlig warm vorkonditionierten Bus zur Abschlussfahrt winkt. Und wie zur Bestätigung strahlt die Sonne weiterhin vom Schweizer Himmel, als der eCitaro über die Straßen hinauf zu den Hügeln von Wettingen gleitet.