Damit Verkehrsunternehmen sicher sein können, dass ihre Ladeinfrastruktur zu den verschiedenen Batteriesystemen des vollelektrischen Mercedes-Benz eCitaro passt, werden Ladegeräte auf deren Kompatibilität aufwändig überprüft.
Ladegeräte im Test.
Für den eCitaro werden Ladegeräte auf ihre Kompatibilität überprüft.
Mit den Festkörperbatterien hat Daimler Buses ein neues Kapitel bei E-Bussen aufgeschlagen. Die innovativen Batterien stellen bestimmte Anforderungen an die Ladeinfrastruktur und verlangen eine besondere Sorgfalt beim Ladevorgang. Aus diesem Grund führt Daimler Buses ausgiebige Interoperabilitäts-Tests mit unterschiedlichen Ladegeräteherstellern durch. Das Ziel: Sicherheit und Effizienz mit jedem Ladegerät zu gewährleisten.
„Auf jedes Lade-Szenario vorbereitet.“
April 2022: Für einen Interoperabilitätstest wird ein eCitaro Solobus eine ganze Woche nach Delft in die Niederlande geschickt. Ziel ist das topmoderne, erst 2020 eröffnete Innovationslab und Testcenter von ABB. Hier beim 130 Jahre alten Traditionsunternehmen, das seit 2010 auch Ladegeräte für Elektrofahrzeuge baut, sollen drei Ladegeräte auf deren Kompatibilität mit den Festkörperbatterien des eCitaro überprüft werden. Oliver Kaerkes, verantwortlicher Testingenieur im Bereich Ladesysteme bei Daimler Buses in Mannheim: „Wir wollen auf jedes Lade-Szenario vorbereitet sein. Dazu liefert das Testcenter in Delft ideale Bedingungen.“
„Unser Ziel ist es, mit verschiedenen Laderoutinen möglichst viele Praxisszenarien durchzuspielen.“
Kaerkes arbeitet vor Ort sehr eng mit den Kollegen von ABB zusammen, dem Global Product Specialist Andrei Ghiran und seinem Team-Leader Rolf Bilderbeek. Der Bus wird für das Testprogramm zuerst aufwendig verkabelt. Im Inneren ist eine veritable Workstation mit Computerarbeitsplatz verbaut, wie er bei Testwagen für die jährlichen Winter- und Sommererprobungen üblich ist. Zusätzlich werden die Testgeräte des Innovationlabs und die Ladegeräte mit einer sogenannten „Break-out“ Box verbunden und diese dann an den vollelektrischen Mercedes-Benz eCitaro angeschlossen. „Über diese Box spielen wir dann unerwartete Szenarien und Fehlermeldungen ins System ein, um das Verhalten des Batteriemanagements des Busses zu testen,“ so Rolf Bilderbeek.
Simulation von 100 Ladevorgängen.
Da es bei den Tests oft auch um hohe Ladeströme von bis zu 500 Ampere geht, sind im Testlabor alle armdicken Ladekabel bereits wassergekühlt – eine Technologie, die sich in Zukunft wohl auch in der Ladepraxis durchsetzen wird. Über 100 einzelne Ladevorgänge werden anschließend simuliert. Einige dauern nur einige Sekunden um den Ladestart zu sehen, andere simulieren eine volle Batterieladung von mehreren Stunden. „Mit dem Oszilloskop, einem Hochfrequenz-Messgerät, werden dann bei den einzelnen Ladedurchgängen sehr schnelle elektrische Signale in hoher Auflösung und in Real Time sichtbar,“ erklärt Kaerkes beim Hantieren mit diversen Kabeln. Damit können Fehlfunktionen identifiziert werden, die möglicherweise zu unerwünschten Ladeabbrüchen führen.
Das Ziel: einheitliche, internationale Teststandards.
Schon vor dem Testverfahren hier vor Ort konnten per Fernwartung und mit den Daten aus der ABB-Cloud viele Ladeszenarios vorbereitet werden. „Es gibt bereits sehr viele Standards und Normen, an die sich alle Hersteller und Zulieferer halten müssen. Aber uns geht es vor allem um deren technische Interpretation beim Fahrzeug auf der einen Seite und dem Ladegerät auf der anderen Seite,“ erläutert Rolf Bilderbeek. Dazu wurde mit Daimler Buses eine Liste der Testfälle („Test Cases“) in Bezug auf die Interfaces erstellt, die jetzt akribisch abgearbeitet werden. „Im weltweiten CharIN-Verbund wird derzeit in Arbeitsgruppen an der Hard- und Software von Testgeräten für eine Zertifizierung von Ladegeräten und Fahrzeugen gearbeitet,“ fügt Bilderbeek hinzu. „Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen sind bereits breit in unsere Interoperabilitätstests eingeflossen.“
Schnellschusslösungen gibt es nicht.
Am Ende der Testreihe sind alle Beteiligten zufrieden mit den gewonnenen Erkenntnissen. Die grundsätzliche Kompatibilität der Festkörperbatterien des Mercedes-Benz eCitaro mit den drei getesteten Ladegeräten von ABB mit Ladeleistungen von 24 bis 180 kW wird durch die Ergebnisse bestätigt. „Natürlich gibt es auch im Nachgang noch genug „Big Data“ auszuwerten. Schnellschuss-Lösungen gibt es beim Ladesystem niemals, das sind langfristige Prozesse,“ erklärt Oliver Kaerkes sichtlich zufrieden nach getaner Team-Arbeit. „Die menschliche Interoperabilität ist ja mindestens so wichtig wie die der elektronischen Bauteile.“